Du kannst spirituellen Hunger nicht stillen

Ich fürchte, mein Text heute ist etwas komplex ausgefallen:

 

es scheint nur begrenzt möglich zu sein, seine konditionierungen verändern zu können. prägungen, erfahrungen, genetische veranlagungen erschaffen einen ganz individuellen charakter. ich frage mich gerade, ob im laufe der zeit das verbundensein mit dem SEIN, mit dem urgrund von allem, also ob dieses veränderte identitätsgefühl allein (auch wenn es nur kurz mal da ist) eine art von transformation innerhalb der konditionierungen auslösen könnte? was ist deine erfahrung dazu? 

 

oder ist die antwort eher, dass es irgendwann einfach nicht mehr so wichtig ist, dass man so vielen konditionierungen ausgeliefert ist.

 

Die Erleuchtung, das Erwachen ist natürlich Resultat einer menschlichen Entwicklung, bzw. ist eine Veränderung der Sicht oder Wahrnehmung. Was mit dem Erwachen erkannt wird jedoch, ist, dass es eine absolute Ebene gibt, welche sich aktuell als Raum und Zeit zeigt, bzw. eben als Entwicklung.

 

Diese Absolute Ebene wird von uns Menschen üblicherweise nicht erkannt. Wir erleben uns selbst als völlig eigenständige Selbste, welche durch die Welt wanken. Dabei versuchen wir mehr oder minder verzweifelt unsere Integrität zu bewahren. Auf gut Deutsch – nicht zu sterben.

 

Doch wie entspannend wäre es zu sehen, dass wir gar nicht wirklich eigenständige, abgetrennte, und sterbliche letzte Dinge sind, sondern einfach Teil eines unteilbaren Absoluten. Einfach Farbkleckse auf einem fließenden Gemälde.

 

Dieses Absolute könnten wir auch das So-Sein nennen. Dabei ist es egal, ob wir von dem So-Sein vor dem zeit- und raumlosen Urknall sprechen oder von eben diesem Moment. Es ist immer einfach das So-Sein.

 

Menschliches Geborenwerden, Entwickeln und Sterben ist also einfach ein beliebiger Ausdruck des ewig unbewegten So-Seins. Auf der einen Seite haben wir nun Entwicklung, welche halt geschieht, sei es als Entropie oder sei es als Erwachen eines Menschen. Auf der anderen Seite haben wir die Tatsache, dass das Absolute immer das Absolute ist, egal wie es sich zeigt.

 

Erleuchtung ist nur das Erkennen dieser Tagsache. Oder umgekehrt gesagt, die phänomenologische Abwesenheit der Illusion, dass es anders wäre.

 

Und jetzt den Schluss zu der Frage: Ja, es ist nur begrenzt möglich, seine Konditionierungen verändern zu können. Aber dieses „Verbundensein mit dem SEIN“ – tja… das ist wohl eher einfach ein angenehmes spirituelles Gefühl. Ich weiß, ich weiß, das ist jetzt gerade gemein. – Und doch – es ist wichtig zu sehen, dass dieses SEIN, dieses SO-SEIN, das Absolute – ja schon immer und unter allen Umständen vollständig und eben – absolut – anwesend ist.

 

Mehr noch. Es gibt nichts, keinen Zustand, kein Erleben, welches nicht aus diesem So-Sein gewebt wäre. Die Nicht-Erleuchtung, das Nicht-Sehen selbst, ist aus ebendiesem Stoff geformt. Ist ist natürlich nicht so, als würde ich die Frage nicht verstehen. Und es ist auch nicht so, als wollt ich der Frage ausweichen.

 

Ja – und ich widerspreche mir selbst jetzt nur scheinbar. Ja, diese Verbundenheit scheint die De-Konditionierung zu begünstigen. Und trotzdem ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass DAS - was wir alle suchen, JETZT und genau HIER schon vollständig IST.

 

Es ist verlockend, nach diesen Gefühlen von Einheit und Verbundenheit Ausschau zu halten. Und natürlich tun wir das trotzdem. So funktioniert letztlich das weltliche menschliche Dasein. Wenn du Hunger hast, fehlt dir etwas - und also musst du dort draußen Futter suchen - um das Fehlende zu erfüllen.

 

Ich aber behaupte hier: Du kannst diesen spirituellen Hunger unmöglich mit einer neuen Erkenntnis stillen. Du kannst den Hunger nur dadurch stillen, indem du erkennst, dass dieses Gefühl von Hunger das Resultat einer bestimmen Wahrnehmung der Welt ist. Und dass die Lösung also im Durchschauen und damit Auflösen der Illusion liegt, dass dieses Gefühl von Hunger eine bestimmte Bedeutung hätte. Hier geht es also nicht um mehr – sondern um weniger.

 

Es ist ein wenig Paradox. Aber ich denke, ihr versteht schon, worauf ich hinaus will. Lebt als Menschen. Genießt das Leben. Entwickelt euch. Arbeitet an euren Konditionierungen. Meditiert. Doch sucht nicht in der Zukunft oder woanders nach DEM. Denn es ist schon immer genau dieses So-Sein, welches eurer So-Sein ist. Genau dieser Moment. Dieses Sein. DAS IST ES!

 

Das Verborgene liegt ganz offen da!