Erleuchtung - wie bewusst muss ich sein?

In meinem letzten Newsletter ging es darum, zu erkennen, dass das Gesuchte immer nur hier und jetzt sein kann. Schon anwesend sein muss.

 

Als Reaktion habe ich unter anderem folgende Mail erhalten:

 

Das Im-Momemt-Sein bereitet mir Schwierigkeiten, nicht, weil Gedanken mich wegziehen könnten, das wäre o.k., wenn ich geistesgegenwärtig genug bin, das Tau einfach loszulassen, sondern weil der Moment schon vorbei ist, wenn ich seiner gewahr bin. Da hinke ich immer hinterher, eine Viertelsekunde. Dann ist da ein Wollen, ein Festhalten, ein Sich- Bemühen, etwas Unechtes. Manchmal erscheint es mir leichter, und irgendwie auch natürlicher, den Moment weiter zu spannen, ein Vorhaben wahrzunehmen und zu tun.

 

Wie etwa: Jetzt schreibe ich dem Sascha eine mail, bin ganz bei der Sache, nimm dabei wahr, was ich wahrnehmen kann, einschließlich meines Herzklopfens, der kleinen Fliege, die im  Lampenlicht schwebt, dem Geschmack meines nikotingefärbten Fingers an der Unterlippe, meine Selbstzweifel.

 

Jeder der auf einem spirituellen Weg ist, kämpft mit dem Thema Bewusstheit. Erleuchtung wird zwar auch mit spontanem, unbeabsichtigtem Erwachen in Verbindung gebracht, weitaus häufiger aber geht der spirituell Suchende aber davon aus, dass er irgendwie voll und ganz in diesem Moment aufgehen muss.

 

Reines Bewusstsein, absolutes Gewahrsein - ist es wirklich notwendig und Voraussetzung für die Erleuchtung? Nun, aus meiner eigenen Geschichte kann ich sagen, dass die Bewusstheit sicher nicht perfekt sein muss. Ich selbst habe verschiedene Zustände und Grade der Bewusstheit erlebt – von absolut Bewusst bis ziemlich bewusst und bis hin zu meinem heutigen „gerade genug“ bewusst.

 

Der Grad der Bewusstheit ist nicht der entscheidende Faktor beim Erwachen. Erwachen ist viel mehr ein Erkennen, ein Begreifen und letztlich ein Loslassen. Wenn du irgendwann mal bewusst genug warst um zu erkennen, dass es keine gute Idee ist, die Hand auf eine heiße Herdplatte zu drücken – dann wirst du das wirklich und mit jeder Zelle zutiefst verstanden haben. Du wirst nie, NIE wieder deine Hand auf eine heiße Herdplatte drücken.

 

So ist es auch mit der Erleuchtung. Es ist wohl wahr, dass du irgendwann bewusst genug sein musst, um zu erkennen, was du da tust – und es dann zu lassen. Und das wird nicht unbedingt einfach sein. Deine Unbewusstheit, deine Gewohnheit wird dich immer wieder in der Un-Erleuchtung verloren gehen lassen. Und deshalb brauchst du eine gewisse Bewusstheit in der du dein Los-Lassen so lange praktizierst, bis es in deinem Alltag stabil geworden ist.

 

Du brauchst also kein Zen-Mönch zu werden und zehn Stunden am Stück perfekt bewusst sein. Es reicht, wenn du dich einfach immer wieder erinnerst, dass du bis gerade eben vollständig in der Welt verloren warst - und jetzt kannst du wenigstens für ein paar Sekunden loslassen, den Blick und den Geist entspannen und die Gesamtheit deiner Bewusstseinsinhalte einfach entstehen und vergehen lassen.

 

Kein Wollen und auch kein Nicht-Wollen, keine Konzentration und auch keine Nicht-Konzentration, keine Bewusstheit und auch keine Un-Bewusstheit. Diese Dinge erscheinen ebenso in deinem Bewusstsein. Sei einfach dieser entspannte Raum in welchem alles entsteht und vergeht. Mehr kannst du nicht tun – und brauchst du nicht tun.

 

Es ist ein Paradoxon. Wenn du die Erleuchtung zu erreichen versuchst, verscheust du sie. Doch wenn du gar nichts tust, wirst du sie auch nie erkennen. Die Lösung liegt (leider) in dem Erwachen selbst. Dem Raum - der alles ist und umfasst.

 

Ich wünsche dir, dass du dich noch heute in das endgültige Erwachen entspannen mögest