Folgender Bericht hat mich an meinen eigenen Weg erinnert.
Ich bin seit ca. 20 Jahren "auf dem Weg". Richtig angefangen hat es mit meinem 1. Sesshin bei Nakagawa Roshi (Zen-Zentrum Eisenbuch). 10 Jahre habe ich bei meinem verehrten Meister gelernt. Viel gelernt. Eigentlich habe ich 10 Jahre gebraucht um zu verstehen, um was es geht!
Der letzte "Schritt" durch das schrankenlose Tor fehlt aber nach wie vor. Obwohl ich beim Zazen oft nicht mehr unterscheiden kann, ob ich noch da bin oder nur noch bin.
Zwanzig Jahre. Das ist eine lange Zeit. Dabei sagt sich das so schnell und leicht: Zwanzig Jahre.
Aber das ist so, als wärst du seit zwanzig Jahren unsterblich in das Mädchen von nebenan verliebt. Jeden Tag siehst du sie und brennst und verzehrst dich. Jede Stunde, jede Minute – aber immer vergeblich, denn egal was du tust - sie sieht dich einfach nicht.
Aber alle paar Monate oder Jahre schenkt sie dir einen kurzen Blick. Einen einzigen kurzen Blick der dich erst ekstatisch - und dann verzweifelt zurück lässt. Wer bereit ist, zwanzig Jahre zu suchen, hat viel gelitten. Ich sage dir. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit.
Und du siehst, dieser Suchende praktiziert Zen – wie ich am Anfang. Und natürlich hat sich auch sein Weg über die Jahre verändert. Die Ideen über den Weg und das Ziel verändern sich unterwegs. Nach zehn Jahren begreifst du evtl. dass du bis heute fast alles falsch gemacht hast.
Bei mir zumindest war es so. Bis zum letzten Tag habe ich scheinbar alles „falsch“ gemacht. All meine Bemühungen waren aber notwendig um den letzten Schritt tun zu können. Was also war mein letzter Schritt durch das „torlose Tor“? Na – ich hab den Versuch aufgegeben können, durch irgendein Tor durch zu müssen. Dabei bin ich „durchgefallen“.
Im Grunde geht es ja am Anfang für jeden Suchenden darum, etwas zu erreichen. Irgendwie ist das die Definition allen Suchens. Ich – suche – etwas. Suchen setzt eine Trennung voraus. Ich – getrennt – von etwas.
Und natürlich lernen wir alle auf dem Weg, dass es so nicht funktioniert. Wir lernen, dass es mich so nicht gibt und auch das „dort draußen“ nicht. Zumindest nicht so, wie wir es erleben oder uns vorstellen. Angeblich ist alles irgendwie Eines und ich bin schon DAS.
Na super! Und jetzt?! Ich bin scheinbar schon da wo ich hin will. Dabei fühlt es sich überhaupt nicht so an. Aber Meister über Meister sagen dasselbe - über Jahrhunderte. Wie könnte ich es also nicht glauben? Es wird schon stimmen. Aber was zur Hölle muss ich tun um diese Wirklichkeit selbst sein zu können?
Und obwohl alle dauernd darüber schreiben – oder geschrieben haben – verstehe ich die ganzen Anleitungen nicht. Oder ich glaube sie zu verstehen und handle danach um zehn Jahre später zu erkennen, dass ich es doch nicht richtig verstanden habe…
Und so meditiere ich halt. Mal ein wenig so. Dann ein wenig anders. Dann gibt’s da noch einen Tipp und später versuche ich es halt noch mal anders. Oder ich bin treu und mach einfach jahrelang was man mir sagt. Und so vergeht die Zeit. Aber wie lange muss es denn dauern? Wieso ist es bloß so unglaublich schwierig eine klare Anleitung zu bekommen?!
Ich bin zwar kein Meister. Auf keinen Fall. Aber ich bin den Weg gegangen, in viele Gruben gefallen und habe am Ende gefunden. Also erzähle ich dir meine Anleitung und hoffe, dass sie auch für dich taugt…
Also dann - wenn das, was du suchst, absolut ist. Immer da. Jetzt, vor tausend Jahren und in alle Ewigkeit. Innerhalb und außerhalb von Zeit und Raum. Wo könnte es dann gefunden werden? Na – gar nicht. Es ist ja schon da. Suchen ist also nicht die Lösung. Und natürlich sagst du – aber wieso habe ich dann das Gefühl, dass etwas fehlt? Und wie könnte ich dieses Erleben verändern ohne etwas zu ändern?
Ganz richtig. So ist es eine Sackgasse. Aber dreh dein Konzept doch mal um. Wenn das, was du scheinbar suchst, eigentlich schon da sein MUSS. Was ist dann dein Erleben von Trennung oder Abwesenheit von DEM? Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass dein Erleben von Trennung einfach nur eine Art Farbklecks auf dem Gemälde der Einheit sein könnte?
Dieser Farbklecks aber ist Teil des Gemäldes. Weder fügt er der Einheit etwas hinzu, noch nimmt er etwas weg. Er ist kein Widerspruch. Er ist einfach nur Farbe mit Struktur auf noch mehr Farbe mit Strukur. Information auf noch mehr Information. Damit ist es quasi die Einheit selbst die sagt: Ich bin getrennt! Verstehst du?! Wie ein gott-blaues Bild auf dem in teufel-gelb die Worte „Ich bin getrennt von dem blauen Bild“ prangen. Gott selbst schreit nach Gott und beißt sich dabei in den Hintern.
Damit kannst du das, was du suchst, unmöglich erreichen indem du auf dem Bild die Farben rum schiebst. Das ist die falsche Ebene. Im Gegenteil. Du muss erkennen, dass du selbst (als Suchender) Teil des Gemäldes bist und dass du selbst als Getrennter einfach nur Information bist. Die Information von Trennung ist selbst Teil der Einheit. Der Versuch sie zu vertreiben erhält die Illusion am Leben dass hier was nicht stimmt.
Du musst also stehen bleiben, Abstand nehmen von der Suche und das Bild so, wie es sich genau jetzt und jetzt und jetzt zeigt betrachten – im Verständnis, dass alles schon vollkommen ist. Und dass das Erleben von Getrenntheit kein Widerspruch zur inhärenten Einheit darstellen kann.
Wenn also unser Suchende hier schreibt:
Obwohl ich beim Zazen oft nicht mehr unterscheiden kann, ob ich noch da bin oder nur noch b i n.
Kann es eben sein, dass es immer noch eine Idee von einem Ziel gibt. Also die Idee, dass das aktuelle Erleben noch nicht vollkommen sein kann. Und daher wird weiter meditiert. Das ist ja per se nicht verkehrt. Denn gerade im Zen nach Hui-Neg (6. Patriarch um 650 rum), wird großen Wert auf ein plötzliches Erwachen mit Einheitserleben gelegt.
Und es war auch Hui-Neng der erklärt hat, dass es keinen Grund gibt, den Spiegel (Geist) zu putzen (Suche/Meditation), weil es keinen - verdammten Spiegel gibt! Hör auf damit – die Idee dass es einen Spiegel gibt, verstärkt die Idee, dass er geputzt werden muss, was die Idee verstärkt, dass es einen Spiegel gibt, was die Idee verstärkt… du weißt schon…
Seit Hui-Neng wurde also großen Wert auf das plötzliche Erwachen gelegt. Und leider auch auf diese tollen Einheitserlebnisse welche dieses Erwachen oftmals begleiten. Immer diese kosmischen Orgasmen. Darauf stehen wir als Menschen halt…
Solche tolle Einheits-Explosionen hatte ich auch (und die sind wirklich toll). Aber auch sie sind nur Zustände die kommen und gehen. Es geht aber nie um die Zustände. Es geht immer nur um das, was gerade jetzt schon da ist. Ist Einheit da - dann gut. Ist Einheit nicht da - dann gut.
Als ein chinesischer Zen-Mönch bei einem erleuchteten Metzger das beste Stück Fleisch verlangte, bekommt er zu hören: „jedes Stück ist das Beste“.
Meditiere also weder um etwas zu erreichen oder etwas hinter dir zu lassen. Versuche dich nicht aufzulösen oder dein Erleben zu ändern. Bleib einfach stehen und schau. Schau durch alles hindurch. Schau bis du beide Ebenen erkennen kannst. Die Absolute Ebene und die Relative – und wenn du das eine Weile tust wirst du erkennen, dass beide Ebenen dieselbe sind. Und alles ist, was es ist.
Hier hört alles Suchen auf. Und der Erwachte muss weder in Einheit sein noch sonst was. Er lebt einfach als Mensch ein menschliches Leben (was sonst!) und er lacht und weint und am Ende stirbt er. Er hat aufgehört der Erlebende zu sein, der sein Leben lebt. Leben findet einfach statt – und ein Ich-Gefühl ist dabei kein Problem und kein Widerspruch. Alles wird jederzeit durchschaut und die Einheit in allen Zuständen ist jederzeit offensichtlich.
Und zuletzt noch mal: Dabei ist nichts Großartiges. Nichts Magisches. Keine tollen Zustände. Die können sein, sind aber eher Hindernis als Hilfe. Darum geht es nicht. Und so lebe auch ich eben ein höchst einfaches, stinknormales Leben als Mensch. Die Suche ist lange schon vorbei und ich bin frei. Frei vom Sehnen und Suchen. Jederzeit gefunden.
Hör auf zu Suchen und erkenne, dass alles schon perfekt ist.