Der Mensch geht durch seine Welt und er fragt:
Religion
Diese Fragen und viele weitere werden schon immer gestellt. Und immer gab es Propheten, welche mit einer höheren Macht in Verbindung standen und so alle Antworten kannten. Die Menschen wiederum glaubten den Propheten und akzeptierten die Antworten. Diese Konstellation nennt sich Religion.
Sinn
Das zentrale Element dabei ist der Glaube an die Existenz einer absoluten Macht, die in ihrer Allmacht und Weisheit, alles erschaffen hat und aktiv lenkt. Was könnte Tröstender sein, als die Vorstellung, dass alles, egal wie verwirrend oder schmerzhaft, einen tieferen Sinn hat?
Glauben
Doch der Einzelne hat diese höhere Macht nie selbst erlebt und erfahren. Der Einzelne glaubt nur. Und Glauben ist nicht Wissen. Glauben ist im besten Falle, mit aller psychischer Kraft zu Hoffen, dass etwas so ist wie man es sich in seinem Kopf vorstellt.
Abkehr
Doch was passiert, wenn jemand nicht mehr damit zufrieden ist zu glauben, was die Eltern, die Lehrer, der Frührer oder das heilige Buch sagt? Wie kann so jemand aus eigener Kraft herausfinden, was wahr, echt und wirklich ist? Wie kann er sicher gehen, dass er nicht bloß den einen Glauben, gegen den nächsten austauscht?
Täuschungen
Wir müssen den Weg vom Glauben zur Realität suchen. Doch wir können uns nicht auf unsere Gedanken verlassen und auch nicht auf unsere Sinne. Auch wenn die Erde für unser Auge wie eine Scheibe aussieht, so ist sie in Realität eine Kugel. Auch wenn die Fata Morgana wie eine Oase aussieht, so ist sie in Realität eine Luftspieglung.
Die Grenzen
Wir müssen also versuchen, die einzig reale Realität zu finden. Doch ohne unsere Sinne und ohne unsere Gedanken. Denn die Sinne und die Gedanken existieren innerhalb der Welt und sind damit begrenzt. Sie können unmöglich dazu dienen, eine absolute Realität zu erkennen.
Das wäre, wie wenn wir versuchen würden, das Universum durch das Studium eines Staubkörnchens verstehen zu wollen. Unsere Erkenntnisse wären immer auf das Staubkörnchen begrenzt und alles andere wäre reine Spekulation - und also Glaube.
Aber da der Mensch aus dem Universum geboren wird und in ihm stirbt und also ein winziges vergängliches Teilchen des Ganzen ist, wie könnte er jemals das Ganze erkennen? Er kann es nicht. Unmöglich. Zumindest nicht als Mensch.
Mystik
Und doch gibt es einen Weg. Die Erkenntnis der Mystiker. Auch die oben angesprochenen Propheten, waren wohl Mystiker. Sie haben den einen Weg gefunden, wie der Mensch über sein Menschsein hinausgelangen kann um das Absolute zu erfahren.
Unabhängig von Religion
Dabei ist es beruhigend zu wissen, dass die mystische Erkenntnis sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie völlig unabhängig von Religion oder Philosophie ist. Denn alle Mystiker haben über jahrtausende und in allen Kulturen immer dieselbe Erfahrung gemacht.
Am Beispiel Meister Eckhart
Aber was haben diese Mystiker erfahren? Und wie konnten sie es erfahren? Versuchen wir es zu verstehen. Anhand von ein paar Zitaten von Meister Eckhart, dem wohl berühmtesten deutschen Mystiker der um 1300 lebte.
"Gott und ich, wir sind eins."
Unio Mystica
Dieser Satz ist die Essenz aller mystischer Erkenntnis. Die "unio mystica" die "Mystische Einheit" besagt, dass alles ein einziges Ungetrenntes ist. Dass das Universum nicht wirklich aus vielen einzelnen Teilen besteht, sondern ein Einziges ist. Dass Vergangenheit und Zukunft nicht zwei verschiedene Dinge sind. Und dass eben auch der Mensch und das Ganze nicht zwei verschiedene Dinge sind.
Doch genau jetzt stehen wir an dem Punkt, wo ein Prophet - hier Meister Eckhart - eine göttliche Wahrheit verkündet, welche vom Leser im Moment nur geglaubt werden kann. Aber genau das wollen wir vermeiden. Wie also sollen wir das tun?
Nicht von dieser Welt
"Nichts hindert die Seele so sehr an der Erkenntnis Gottes als Zeit und Raum."
Hier wird gesagt, dass es dem Menschen völlig unmöglich ist, die absolute Realität zu erkennen, zumal der Mensch mit seinen Erkenntnismitteln innerhalb von Zeit und Raum existiert.
"Willst du Gott auf göttliche Weise wissen, so muss dein Wissen zu einem reinen Unwissen und einem Vergessen deiner selbst und aller Kreaturen werden und Nichts, das durch die Sinne eingebracht wird, kann dies bewerkstelligen"
Hier ein konkreter Weg zur Erkenntnis beschrieben. Wenn alles menschliche Erkennen zurückzulassen wird, offenbart sich das Göttliche von alleine. Wie aber soll das möglich sein?
"Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht; mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge und ein Erkennen."
von Relativ zu Absolut
Hierin wird die Lösung deutlicher. Zwar kann ein Teil (der Mensch) nicht das Ganze erfassen, aber gleichzeitig ist in Wahrheit alles ein einziges Ungeteiltes. D.h. die Unterscheidung in Teil und Ganzes ist noch nicht die absolute Realität sondern immer noch eine relative Wirklichkeit.
Die Essenz
Obwohl der Mensch unmöglich durch eine Bewegung innerhalb von Zeit und Raum etwas über das Ganze erkennen kann, ist er selbst in seiner Essenz schon das Ganze.
Gott ist Mensch ist Gott
Gott oder die absolute Realität wird also eigentlich nicht erkannt, sondern weil alles Eins ist, ist auch jeder Teil von Gott schon der ganze Gott. Darin kann der kleine zeitliche Mensch in sich selbst den ganzen Gott, die absolute Realität erkennen. Erkennen durch das zeitlose Selbst-Sein desselben. Der Mensch ist also Gott. bzw. alles ist Gott. Auch die Blume und das Staubkorn.
Die Praxis
Trotzdem bleibt für den Nicht-Mystiker die Frage: Wie genau kann ich zu dieser Seins-Erkenntnis gelangen? Im Lichte des Gesagten, muss offensichtlich sein, dass ein Erreichen unsinnig ist - zumal alles schon jetzt da ist. Anders gesagt - der Mensch selbst, ist in seiner Essenz schon das Gesuchte.
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nur auf die zeitliche Welt richten, so sehen wir zwar auch Gott, aber eben nur als Teil. Um den absoluten Gott zu erkennen, "...so muss dein Wissen zu einem reinen Unwissen und einem Vergessen deiner selbst und aller Kreaturen werden." Wie genau tut man das?
Der Irrtum
Der zentrale Irrtum liegt in dem Erleben, als Mensch etwas von der Welt Verschiedenes zu sein. Eben ein Teil. Durch die Grenzen des eigenen Körpers klar von allen anderen Teilen abgegrenzt. Ich bin hier und dort ist die Welt. Ich bin hier und suche dort die Realität oder Gott.
Den Irrtum verstärken
Diese erlebte Getrenntheit gilt es als Illusion zu durchschauen. Aber wie soll man dies tun? Nun, indem man die Illusion aktiv verstärkt, sie so weit übertreibt, bis ihre Unsinnigkeit offensichtlich wird.
Der absolute Beobachter
Siehe, dass du gerade jetzt der Beobachter, der Erkennende deiner Gedanken bist. Du selbst bist in deiner Essenz nicht deine Gedanken. Du bist existentiell von deinen Gedanken verschieden. Gedanken kommen und gehen, aber du bist dabei der unveränderliche Beobachter.
Ebenso ist es mit den Körperempfindungen, den Eindrücken aus deinen anderen Sinnen und mit den Emotionen. Wenn du hinschaust, kannst du deinen Körper bewusst beobachten, kannst fühlen, wie diese Empfindungen sich vor deinem inneren bewussten Auge verändern - ohne dass du dich selbst dabei verändern würdest. Du bist also weder dein Körper noch deine Gedanken oder Emotionen.
Nicht mal das Bewusstsein
Und letztlich bist du sogar deiner Bewusstheit bewusst. Du weißt, dass du bewusst bist. Und üblicherweise glaubst du, dieses innere Licht des Bewusstseins sei dein innerstes Selbst. Aber das ist unmöglich. Denn was immer du bist, kann dieses Bewusstsein erkennen. Damit ist das, was du in der absoluten Realität bist, von diesem zeitlichen Bewusstsein verschieden.
Die Grenze
Hier ist das Ende des bewussten und willentlichen Weges als Mensch erreicht. Im eigenen Bewusstsein ist alles enthalten, was wir über die Welt wissen können. Ohne Bewusstsein sind wir blind und taub. Wenn wir also selbst unser Bewusstsein hinter uns lassen, lassen wir auch unser Menschsein hinter uns. Jetzt wurde die Trennung zwischen Ich und Welt maximal aufgespalten. Weiter geht es nicht.
Mystische Erkenntnis
Hier bleibt uns nichts als zu warten. Hier wo wir nicht mehr sind, ist es unmöglich etwas zu tun oder zu wollen.
Das meinst Meister Eckhart mit "...so muss dein Wissen zu einem reinen Unwissen und einem Vergessen deiner selbst und aller Kreaturen werden."
Und jetzt kann es geschehen. Schnell oder langsam. Dass der Irrtum durchschaut wird. Die vermeindlichte Getrenntheit wird als Illusion erkannt. In Wahrheit gab es nie einen unabhängig existierenden Menschen oder Beobachter. Es gab nie eine Trennung. Es gab immer nur ein einzig Ungetrenntes. Alles ist Eins. Blumen, Wolken, Menschen, Wut und Gedanken - Eins. Erleuchtung, Nicht-Erleuchtung - Eins.
Die Bedeutung
In der mystischen Erkenntnis überwindet der Mensch die Illusion der Getrenntheit. Und das ist schön für den Menschen. Doch um den Menschen geht es nicht. Die wahre Bedeutung liegt darin, dass Gott zu sich selbst erwacht. Gott ist das absolute SEIN, welches sich selbst nie erkennen kann. Aber im Spiegel des menschlichen Bewusstseins, kann ER sich selbst erahnen.
Gott sucht Gott
Der mystische Weg ist also eigentlich Gottes Weg zu sich selbst. Gott als absolutes Prinzip jenseits von Zeit und Raum - und Gott als die Welt. Auf diese Weise erkennt Gott sich selbst durch den Menschen. "Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht."
Alles ist Eins
Der Weg vom Menschen zu Gott führt über das Durchschauen der Illusion dieser Mensch zu sein. Und erst ganz am Ende wird erkannt, dass es immer nur Gott war der schaut und sucht. Denn es gibt nur Gott.
Werde was du bist
Der Mensch der diese mystische Erfahrung lebt, ist Eins in Gott und kennt alle Antworten. Er mag sie nicht in Worte fassen können. Aber sie sind sein Sein. Und wenn dieser Mystiker zu den Menschen spricht so wird er für sie zum Propheten. Doch wehe dem, der im glaubt. Er wird nichts gewinnen. Es ist besser er wendet sich ab und geht den Weg selbst - und wird endlich, was er schon immer IST.