Das Denken loslassen

Es ist unsere Natur, frei, entspannt und sorglos zu sein. Aber unsere Wirklichkeit ist anders. Denn wir haben die Verbindung zu uns Selbst verloren. 

 

An einem normalen Tag bist du deiner Selbst nur gerade mal einige Sekunden wirklich bewusst. Du fühlst dich nicht, du weist nicht bewusst, dass du lebst, existierst, wach bist. Du erlebst dich Selbst mehr wie eine dunkle Ahnung. So, wie wenn man etwas aus den Augenwinkeln wahrnimmt. 

 

Versuch mal, ob du es schaffst, dich zehn Sekunden lang ununterbrochen an dich Selbst zu erinnern... 

 

Die meisten Menschen verlieren sich schon lange vorher. Ein Gedanke taucht auf, meist ein Gedanke über das was sie gerade tun und damit vergessen sie sich. Sie vergessen, sich zu fühlen und laufen dem Gedanken und der Geschichte die er erzählt nach. Sind sich ihrer Selbst schon wieder nicht bewusst. Sie sind unbewusst... 

 

Während sie also ihr Leben leben, arbeiten, essen, gehen, sind sie innerlich von einem endlosen Strom an Gedanken und Bildern gefangen. Oder tief in dem verloren, was sie gerade tun. Genau wie du gerade jetzt. Du liest, und all deine Aufmerksamkeit ist in diesen Buchstaben gefangen. 

 

Du fühlst dich nicht mehr, du hast beinahe vollständig vergessen, dass du existierst. Nur noch diese Worte sind da. Da bleibt zwar ein Gefühl von dir und der Welt, aber nur ganz dunkel, im Hintergrund deines Bewusstseins. Du bist unbewusst, weil all dein Bewusstsein woanders ist. 

 

Wenn du deiner Selbst nicht bewusst bist, existierst du eigentlich nicht wirklich. Du lebst dann wie ein Automat, wie im Halbschlaf, ohne Bewusstsein, ohne Entscheidungs-Freiheit. 

 

Solange du auf diese Weise unbewusst in Gedanken, Gefühlen oder Handlungen verloren bist, hast du keine Möglichkeit, bewusst zu sein. Du kannst nicht unbewusst und bewusst gleichzeitig sein. Du bist Gefangener deiner Unbewusstheit. Und auf diese Weise leben wir alle unser tägliches Leben. Wir sind beinahe immer, beinahe total von etwas absorbiert. 

 

Du glaubst zwar, voll da zu sein, denn du erledigst deinen Alltag kompetent und erinnerst dich an jede Kleinigkeit. Aber in Wirklichkeit lebst du dein Leben auf Autopilot. Der Körper handelt und der Kopf beobachtet und kontrolliert. Aber du bist kaum dabei. Du schläfst... Aber dieser Halbschlaf muss nicht sein. 

 

Wenn du entdeckst, dass du wirklich hier, in der Gegenwart, bei dir, deinem Körper, deinen Gefühlen sein kannst, wenn du wirklich präsent bist, dann eröffnet sich dir eine ganz neue Welt. Eine Lebendigkeit und Spontaneität, ein tiefes Gefühl von Sinn und Erfülltheit, wie du es nur in deiner frühen Kindheit kanntest. 

 

Deiner Selbst bewusst zu sein, ist ganz einfach. Denn es ist deine Natur. Es ist das Selbstverständlichste auf der Welt. Es bedeutet ganz einfach, zu wissen, dass du da bist. Dass du lebst, wach bist, existierst. Von Moment zu Moment, von Stunde zu Stunde. Ganz simpel. Und was könnte wichtiger sein als sein Leben auch wirklich zu er-leben, anstatt es im Halbschlaf zu verpassen? 

 

Entscheide dich, bewusst zu sein. Hör auf, dich in deinen Gedanken zu verlieren. In den Geschichten über dein Leben. Komm jetzt hierher. Komm in diesen Moment und fühle einfach deinen Körper. Fühle die reine Lebendigkeit. Deine Wachheit. 

 

Tue nichts, sei einfach. Atme. Beobachte diesen Augenblick. Beobachte wie Gedanken kommen und wie sie gehen. Beobachte, wie Gefühle kommen und gehen. Und vor allen Dingen, wisse, dass du bist. Denn nur dann bist du deiner Selbst bewusst. 

 

Das ist keine Meditationsbeschreibung. Das ist einfach nur bewusstes Leben. Verbringe immer mehr Zeit damit anzuhalten. Auch während du gehst und arbeitest, kannst du innerlich, in deiner Aufmerksamkeit anhalten. Kannst jederzeit hierher in diesen Moment kommen und einfach Sein. 

 

Nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Sondern in dem einzigen Augenblick der real ist. Jetzt. Gib deine Aufmerksamkeit, deine Energie, nicht völlig den Gedanken und Sorgen. Es ist deine Entscheidung, was du mit deiner Aufmerksamkeit nährst. Ignoriere die Gedanken einfach und die Geschichten welche sie erzählen. Gedanken sind virtuell. Komm einfach immer wieder hierher in dein echtes Leben. Und sei einfach. 

 

Wenn du deine Aufmerksamkeit den Gedanken gibst, dann werden sie für dich wirklich. Dann werden sie groß und wichtig. Dann verlierst du dich in ihnen und sie erzählen alles Mögliche über dich und die Welt. Ununterbrochen. Und während du diese Gedanken denkst, erscheinen sie dir ganz wirklich und real. Aber es sind bloß leere Gedankengebilde... 

 

Unzufriedenheit entsteht nur, wenn du diese leeren Gedanken mit der Wirklichkeit verwechselst. Schon gleich nach dem Aufwachen erzählen sie dir, was du noch alles zu tun und zu erreichen hast. Und schon wirst du müde. Sie erzählen dir, was dir noch zu deinem Glück fehlt und wie dein Glück bedroht wird. Und schon fühlst du dich etwas schlechter. Sie erzählen dir, wie anstrengend dein Leben doch sei, dass du jetzt keine Zeit für Meditation hast und dass du jetzt dringend deine Probleme lösen musst... 

 

Deine Gedanken machen dich unglücklich denn sie machen dich glauben, dass du noch nicht genug hast. Sie glauben, dass du ein Bettler bist. Denn wie könnten sie wissen, dass du das Leben selbst bist? Gedanken sind nur Bilder. Leblose Bildergeschichten aus der Vergangenheit. 

 

Wenn du nicht mit deiner eigenen Lebendigkeit in Verbindung bist. Wenn du gerade jetzt deine bewusste Lebendigkeit nicht fühlst, so magst du den Gedanken glauben. Ja, ich bin ein Bettler. 

 

Mag sein , dass dein Alltag beschwerlich ist. Dass du hart arbeiten musst und deine Beziehung kompliziert ist. Die Kinder sind wieder mal krank und dir sitzt die Quartals-Abrechnung im Nacken. Der neue Arbeitskollege war herablassend und das Auto muss unbedingt noch heute in die Werkstatt... 

 

Aber gerade da, halte an. Halte die Gedankenmühle an. Gib deinen Gedanken keine Kraft und kommt wieder hierher in die Wirklichkeit dieses Augenblicks... Fühle dich Selbst. Du sitzt beim Frühstück, das Brötchen in der Hand. Gerade jetzt ist alles gut. Die Gedanken sind nicht echt. Nur das, was in dieser Sekunde da ist, ist echt. Jetzt. Genieße es am Leben zu sein, genieße dein Brötchen. 

 

Wenn du morgen Überstunden machen musst, jetzt gerade aber in der Badewanne liegst, so denke nicht an Morgen. Ärgere dich nicht über die Firma. Nur wenn du gerade jetzt wirklich am Überstunden machen bist, nur dann ist es wirklich. 

 

Aber wenn du schon da bist, dann denke nicht darüber nach. Ärgere dich nicht. Mach dir keine Sorgen. Kämpfe zumindest in diesem Moment innerlich nicht gegen deine Wirklichkeit. Ändere dein Leben im Außen wenn du kannst, löse deine Probleme. Aber innerlich akzeptiere gerade jetzt die Wirklichkeit, einfach weil sie schon da ist. Akzeptiere das unvermeidliche und entspanne dich innerlich. Es bringt nichts gegen Tatsachen zu kämpfen. Du tust nur dir selber weh. 

 

Wenn du aufhörst gegen die Wirklichkeit dessen zu kämpfen was jetzt gerade ist und aufhörst, dir im Kopf all deine Probleme wie ein Mantra vorzusagen und vorzustellen, dann wirst du dich entspannen. Es mag eine Zeit dauern, aus dieser Gewohnheit auszubrechen. 

 

Es ist schon schwer genug, das echte Leben zu meistern. Kämpfe also nicht gegen das Unausweichliche und erschaffe nicht auch noch diese innere Welt aus Gedanken. Sie jagen und treiben dich bloß an. Sie werden nie mit dir zufrieden sein. Lass sie einfach. 

 

Fühle deine Lebendigkeit, sei deiner Selbst bewusst. Alles ist gut. Du bist da. Und ja, das Leben mag manchmal schwierig sein. Aber wenn du mit dir Selbst in Verbindung bist, fühlst du, dass gerade hier, gerade jetzt, all diese Probleme, die Schmerzen und selbst dein Tod unwichtig sind. Denn du bist das ewige Leben. 

 

Deshalb verliere dich nicht in den Gedanken und Geschichten über dein Leben. Komm einfach so oft du kannst hierher und fühle was gerade hier ist. Fühle auch das Unangenehme wie Angst oder Wut. Weiche diesen Gefühlen nicht aus, denn sie sind ein Teil von dir. Nur wenn du diese Gefühle fühlst und integrierst, kannst du an ihnen wachsen. 

 

Bleib mit dir in Verbindung und fühle die Wirklichkeit dieses Augenblicks ohne Widerstand, ohne Ablehnung. Atme und spüre die Verspannung im Nacken, den Kloß im Hals, den Druck im Magen. 

 

Wenn du die Wirklichkeit dieses Augenblicks verleugnest und dich in Gedanken flüchtest, dann flüchtest du auch vor dir Selbst und deinem Leben. Dann verlierst du dich wieder im Vergessen, im Unbewussten. Und hörst wieder auf zu existieren und wirst zu einer leeren Maschine. 

 

Drum habe den Mut die Wirklichkeit so anzunehmen wie sie ist. Weiche nicht aus. Kämpfe nicht gegen sie, lass alles zu. Lass auch die Gedanken zu. Aber fühle bloß, nimm bloß wahr, ohne etwas damit zu tun, ohne dich Selbst darin zu verlieren. Sei einfach da, sei einfach du Selbst. Sei.